Bau und Bauministerium - zwei Parallelwelten
DGfM-Geschäftsführer Christian Bruch zu den Baugenehmigungszahlen
„Die Lage am Bau ist stabil.“ konstatierte die Bundesbauministerin jüngst anlässlich der Veröffentlichung der Baufertigstellungszahlen 2023. Und mit der Aussage: „Neben den 294.400 fertiggestellten Wohnungen befinden sich derzeit weitere 390.900 Wohnungen im Bau.“ suggerierte sie zugleich, dass die Fertigstellungszahlen weiterhin auf diesem Niveau bleiben werden.
DGfM-Geschäftsführer RA Christian Bruch.
Für diese gute Lage hatte sie auch gleich eine Erklärung: „Mit unserer zielgerichteten Wohnungspolitik haben wir die richtigen Anreize gesetzt, um Projekte aus dem Bauüberhang trotz der schwierigen Rahmenbedingungen am Bau zu realisieren. Der soziale Wohnungsbau erweist sich dabei als absoluter Stabilitätsanker für die Bau- und Immobilienbranche. Unsere milliardenschwere Förderung für den bezahlbaren Wohnraum bringt auch immer mehr private Wohnungsbaugesellschaften in den sozialen Wohnungsbau. Das zeigt: Die Förderung des Bundes wirkt.“
Die Mauerwerksbranche teilt diese Einschätzungen der Ministerin nicht.
Fertigstellungszahlen 2023 sind kein Indikator für Lage am Bau 2024
Wie schon empirica in der BBSR Studie „Struktur und Gründe des Bauüberhangs“ festgestellt hat, führt die Verlängerung der Baudauer dazu, dass immer weniger Bauvorhaben bereits im Jahr der Genehmigung (EZFH) bzw. binnen 12 Monaten (MFH) fertiggestellt werden. Wurden bis zum Jahr 2015 noch mehr als 50% der Geschosswohnungsbauprojekte in weniger als zwei Jahren realisiert, so sank dieser Anteil bis 2019 auf 36%. Gleichzeitig nahm der Anteil der Baudauern von zwei bis unter drei Jahren von 22% im Jahr 2013 auf 38% in 2019 zu und auch noch längere Baudauern werden häufiger.
Die Fertigstellungszahlen 2023 beruhen somit überwiegend auf Bauvorhaben die in den Jahren 2021/2022 (EZFH) oder 2020/2021 (MFH) genehmigt wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau aber noch vollkommen andere. Insbesondere gab es noch eine Breitenförderung. So sind im Jahr 2020 von der KfW Förderzusagen für 388.720, in 2021 für 452.449 und in 2022 noch für 406.211 Wohnungen erteilt worden.
Erst 2023 wirkte die von Bundesregierung und Bauministerin vorgenommene Neuausrichtung auf ambitionierte Spitzenförderung. Mit der Konsequenz, dass die KfW in 2023 für nur noch 95.897 Wohnungen Förderzusagen erteilt hat. Zum besseren Verständnis, dass entspricht einem Rückgang um 300.000 Wohnungen oder 76% im Vergleich zum Vorjahr!
Die Fertigstellungen 2023 sind damit weder als Indikator für die Lage am Bau in 2024 geeignet, noch zeigen sich die Auswirkungen der geänderten Förderpolitik. Letztere werden aufgrund der üblichen Baudauer erst an den Fertigstellungszahlen 2024 bzw. 2025 erkennbar sein.
390.907 Wohnungen im Bau sind kein gutes Zeichen
Für eine Bewertung, ob es ein gutes Zeichen ist, dass sich derzeit 390.807 Wohnungen im Bau befinden, muss man auf die Vorjahreszahlen schauen.
Die Anzahl der Wohnungen im Bau ist seit 2009 kontinuierlich gestiegen. Von damals 143.358 auf 462.858 im Jahr 2022. 2023 gab es erstmals seit 14 Jahren eine geringere Wohnungsbautätigkeit als im Vorjahr. Und dies nicht etwa um ein paar Prozentpunkte, sondern um 15 Prozent bzw. 71.951 Wohnungen!
Genau diese fast 72.000 fehlenden Einheiten spürte die Branche in 2023 jeden Tag in Form von nicht bestellten Steinen, nicht gelieferten Dachstühlen, Fliesen oder Heizungen.
Wenn die Bauministerin diese Zahl also unbedingt hat erwähnen müssen, wäre Besorgnis statt Stolz (oder war es Trotz?) die richtige Attitüde gewesen. Denn es ist eine schlechte Zahl.
Förderung für maximal 5.000 Sozialwohnungen gegeben, aber für 300.000 KfW-Wohnungen genommen
Ja, im Jahr 2023 gab es 20 Prozent mehr Förderungen für Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau als im Jahr zuvor.
Aber: Die 50.000 Förderzusagen betrafen nicht alle den Mietwohnungsneubau. Vielmehr ging ein erheblicher Anteil von 20-25.000 Zusagen in Modernisierungs- und Eigentumsmaßnahmen. In den Faktenblättern des Bauministeriums wird diese Unterscheidung für die Jahre 2020-2022 noch farblich erkennbar dargestellt.
In der Grafik für die Pressemitteilung zu den Baufertigstellungszahlen 2023 fehlt die Unterscheidung. Das wohl nicht ohne Grund. Denn mit dieser Unterscheidung schrumpft der Anker Sozialer Wohnungsbau auf 20-30.000 Förderzusagen für den Sozialen Wohnungsneubau im Jahr 2023 und damit um höchstens „stabile“ 5.000 mehr Zusagen mehr als in 2022.
Zugleich sind aber im gleichen Zeitraum von der KfW 300.000 Förderzusagen für den freien Wohnungsbau weniger gegeben worden.
Bei einem Saldo von minus 295.000 Wohneinheiten wirkt diese Förderung des Bundes destabilisierend.
Diese Analyse zeigt, offensichtlich ist die Ministerin schon in der Parallelwelt des Wahlkampfs angekommen, während sich Mauerwerksindustrie und Bauwirtschaft in der Realität des Überlebenskampfes befinden. Erfolge werden beide nur erzielen, wenn sie wieder ein gemeinsames, auf Tatsachen beruhendes Universum betreten. Die Wohnungssuchenden hätten dies allemal verdient.