Weniger Pestizide, mehr Umweltschutz

Rund drei Millionen Euro Förderung, insgesamt fast ein Dutzend unterstützte Projekte: Dieses Jahr findet eine bundesweite Förderinitiative der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ihren Abschluss, die sich einer heiß diskutierten Frage zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz widmet: Wie ist – für den verstärkten Schutz biologischer Vielfalt – der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, auch Pestizide genannt, zu reduzieren oder gar zu vermeiden, ohne dass die wirtschaftliche Existenz von Bauernhöfen aufs Spiel gesetzt wird? Die DBU startet heute in lockerer Folge eine Serie zur DBU-Förderinitiative Pestizidvermeidung. Zum Auftakt soll es um Nützlingsrollwiesen gehen.

Die DBU-Förderinitiative Pestizidvermeidung haben wir 2020 auf den Weg gebracht, weil es noch zu wenige praxistaugliche Alternativen zu chemischen Pflanzenschutzmitteln gibt“, erinnert sich Dr. Maximilian Hempel, der zuständige Leiter der DBU-Abteilung Umweltforschung. „Genau das sollte aber unser Ziel sein. Denn wir tun gut daran, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, weil sonst ein zu großer ökologischer Schaden zum Beispiel an Oberflächengewässern oder gar am Grundwasser entsteht.“

Lösungen für einen nachhaltigeren Umgang schaffen wir nur gemeinsam

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Bildquelle: © Antje Deepen-Wieczorek/piclease

Herausforderung für die Landwirtschaft: Wie können Bäuerinnen und Bauern – für mehr Umweltschutz – den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren, ohne die eigene Existenz zu gefährden? Eine von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) 2020 gestartete Förderinitiative Pestizidvermeidung endet dieses Jahr. In lockerer Reihenfolge berichtet die DBU über die rund ein Dutzend Maßnahmen, die mit insgesamt drei Millionen Euro gefördert wurden.

Zwar ist jüngst auf EU-Ebene ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (engl. Sustainable Use Regulation, kurz SUR) vorerst gescheitert. Gleichwohl appelliert DBU-Generalsekretär Alexander Bonde daran, „das Thema nicht zu verdrängen. Wir dürfen trotz politischer Hürden nicht untätig bleiben.“ Und er ruft dazu auf, einen Konsens zu finden. Bonde: „Landwirtschaft und Umweltschutz hängen zusammen. Lösungen für einen nachhaltigeren Umgang mit Böden, Wiesen, Wasser und Luft schaffen wir nur gemeinsam.“ Die DBU-Förderinitiative zur Pestizidvermeidung zeige beispielhaft, „dass es tatsächlich eine Bandbreite an nicht chemischen Pflanzenschutzoptionen gibt“. Abteilungsleiter Hempel ergänzt: „Wir müssen auf diesem Weg weitermachen. Wir brauchen weitaus mehr Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.“

Überraschende Erkenntnisse im Projekt „Nützlingsrollwiesen“

Tatsächlich dürfte intensivere Forschung die Chancen auf überraschende und innovative Erkenntnisse beträchtlich erhöhen. Unerwartetes hat zum Beispiel in der DBU-Förderinitiative Pestizidvermeidung das mehrjährige Experiment der Staatsschule für Gartenbau in Stuttgart-Hohenheim mit sogenannten Nützlingsrollwiesen im Freiland-Gemüseanbau zutage gefördert. Staatsschul-Leiter Dr. Michael Ernst, bei dem auch die Projektleitung lag: „Es hat mich schon überrascht, mit welch großem Radius von rund 30 Metern Nützlinge in einem Salatfeld Blattläusen, weißen Fliegen und anderen Schadinsekten zu Leibe rücken. Man muss viel weniger Produktionsfläche opfern als gedacht.“ Der promovierte Diplom-Ingenieur der Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkten Pflanzenproduktion und Gemüseanbau erklärt die pfiffige Idee hinter den Nützlingsrollwiesen: In dem von der DBU geförderten Projekt der Stuttgarter Staatsschule kommt eine Methode zum Einsatz, die viele aus dem Fußballstadion oder dem eigenen Hausgarten kennen – der Rollrasen.

Wie im Fußballstadion: Nützlingswiesen werden ausgerollt

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Bildquelle: © Staatsschule für Gartenbau

Wie im Fußballstadion: In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekt der Staatsschule für Gartenbau in Stuttgart-Hohenheim werden Nützlingswiesen wie Rollrasen zwischen den Salatkulturen platziert – um Schadinsekten zu bekämpfen und Pestizide zu reduzieren. Die DBU-Förderinitiative Pestizidvermeidung mit einem Volumen von rund drei Millionen Euro endet dieses Jahr.

Das Vorhaben, so Ernst, habe in mehrfacher Hinsicht Neuland erkundet. „Der Einsatz von Nützlingen beim Gemüseanbau im Gewächshaus ist ja längst etabliert. Neu ist unser Ansatz im Freiland.“ Noch dazu mit Nützlingsrollwiesen und einer besonderen Herausforderung. Denn die Staatsschule für Gartenbau in Stuttgart-Hohenheim wählte im Feldversuch als Kultur Kopfsalat, der üblicherweise stark von Blattläusen befallen wird. Und: Wegen der kurzen Kulturdauer des Salats bleiben lediglich sechs bis acht Wochen von der Pflanzung bis zur Ernte, um Schadinsekten zu bekämpfen. Staatsschul-Leiter Ernst: „Nützlinge als Schädlingsbekämpfer müssen daher von Anfang an etabliert sein.“ Deshalb sei die Idee entstanden, Nützlingsrollwiesen nach der Methode des Rollrasens auf einem Geflecht von Hanf und Kokosfasern vorzukultivieren, so Ernst. „Denn eine solche Wiese braucht selbst ab Aussaat etwa vier Wochen bis zur vollständigen Entwicklung.“ Durch die Vorkultivierung wird so pünktlich zur Pflanzung des Kopfsalats die Nützlingswiese ausgerollt – ähnlich wie im Fußballstadion. Marienkäfer, Raubmilben, Schlupfwespen und Florfliegen tummeln sich auf Blühpflanzen wie Kümmel, wilde Möhre, Ringel- und Kornblume sowie Schafgarbe, Klatschmohn und echten Salbei – und können sich umgehend ans Werk machen, um die Schadinsekten zu vertilgen.

Bis zu 60 Prozent Einsparung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln

Das Ergebnis des Staatsschul-Projekts kann sich sehen lassen, sagt Agrarwissenschaftler Ernst. Es müsse darum gehen, Insektizide einzusparen und von „Nicht-Ziel-Organismen“ wie etwa Wildbienen fernzuhalten. „Genau das kann mit alternativen nicht chemisch-synthetischem Pflanzenschutz gelingen“, so Ernst. Es gehe darum, Pflanzen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen. Der Leiter der Staatsschule für Gartenbau: „Das Projekt mit den Nützlingsrollwiesen legt den Schluss nahe, dass beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis zu 60 Prozent Einsparung möglich sind.“ Und: Das Projekt hat nach Michael Ernsts Einschätzung das Zeug dazu, „bundesweit Blaupause für ähnliche Vorhaben zu sein“.


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2024-03-21
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